RÜCKBAUEN STATT ABREISSEN
Wiedereinstellung | 06.09.2023

Aufgrund ihrer Eigenschaften eignete sich die 1958 erbaute Halle Polynorm bestens für das Pilotprojekt zur Wiederverwendung einer ganzen Industriestruktur.

In der Schweiz machen Bauabfälle zwei Drittel des gesamten Abfallvolumens aus. Recycling zur Herstellung eines neuen Objekts aus einem vorhandenen Rohstoff kann mit einem hohen Energieaufwand verbunden sein. Die Wiederverwendung präsentiert sich demgegenüber als kostengünstige Alternative. Wiederverwendung umfasst alle Vorgänge, bei denen ein Objekt oder ein Material mit möglichst geringen Veränderungen für einen ähnlichen oder gleichen Zweck wiederverwendet wird.

Diese uralte Praxis, die im Zuge der Industrialisierung nach und nach in Vergessenheit geraten ist, erlebt heute eine Art Revival, zumindest auf der experimentellen Ebene. In Freiburg soll im Rahmen des Projekts POLYNORM das Potenzial dieser Methode anhand eines konkreten und typischen Beispiels aufgezeigt werden: die Demontage und die Wiederverwendung einer gesamten Tragkonstruktion.

«Die Industriehalle POLYNORM stammt aus dem Jahr 1958 und sollte abgerissen werden. Aufgrund ihrer leichten und für ihre Zeit äusserst innovativen Bauweise war sie ein ideales Objekt für einen Pilotversuch», erklärt Agnès Collaud, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut TRANSFORM der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg, das hinter dem Projekt steht.

Das Projekt ist auf grosses Interesse gestossen. Zu den zahlreichen Partnern gehörte auch das Unternehmen Morand Constructions Métalliques, das für die Demontage des Metalltragwerks zuständig war. «Wir suchen stets nach Möglichkeiten, wie wir unseren ökologischen Fussabdruck verringern können. Nach der Fertigstellung der ersten CO2-freien Stahlkonstruktion der Schweiz im Sommer 2022, die vollständig aus recycelten Materialien und erneuerbarem Strom hergestellt wurde, wollten wir unbedingt an diesem Projekt teilnehmen. Es war eine gute Gelegenheit, um uns im Bereich der Wiederverwendung einen Namen zu machen und uns Know-how in Bezug auf den Rückbau anzueignen», sagt Geschäftsführer Jean-François Suchet.

Vorbildcharakter

Auch wenn diese Methode derzeit noch nicht kosteneffizient ist, könnte die Explosion der Energie- und Rohstoffpreise dies bald ändern. Agnès Collaud sagt: «Unser Hauptziel bestand darin, eine Rückbaumethode und ein Modell für die Wiederverwendung im grossen Massstab zu entwickeln und dabei die damit verbundenen Hindernisse und Einflussfaktoren aufzuzeigen. Dieses Experiment wirft viele Fragen über die Art und Weise auf, wie wir unsere Gebäude planen.»

Metall ist übrigens nicht das einzige Material, das in Bezug auf die Wiederverwendung hoch im Kurs steht. Im Smart Living Lab versuchen die Institute TRANSFORM, iTEC und ENERGY – im Rahmen des Projekts ConcReTe – oder auch das Structural Xploration Lab (SXL), die technische Machbarkeit, die Umwelteffizienz und die wirtschaftliche Rentabilität der Wiederverwendung von Bauelementen wie Platten, Wände, Trägern oder Stützen, die aus Stahlbetonstrukturen gewonnen wurden, aufzuzeigen. Corentin Fivet, Direktor von SXL, ist begeistert: «Bisher hat sich jedes neue Ergebnis als vielversprechender als das vorherige erwiesen.»