«Im Bausektor ist Innovation allgegenwärtig»
FNF 2023 | 06.09.2023

Jerry Krattiger (Photo: STEMUTZ.COM)

Dank bedeutender staatlicher Investitionen erweist sich der Freiburger Bausektor als sehr robust und ist in der Lage, sich auf die grossen Umwälzungen vorzubereiten, die auf die Branche zukommen. Ein Gespräch mit Jerry Krattiger, Direktor der Wirtschaftsförderung Kanton Freiburg.

Weshalb ist die diesjährige Ausgabe von Fribourg Network Freiburg dem Bausektor gewidmet?

Eine der Stärken der Freiburger Wirtschaft ist ihre grosse Vielfalt, die zu ihrer Widerstandskraft beiträgt. Gleichzeitig kann sie sich auf mehrere solide Pfeiler stützen. Dazu gehört zweifelsohne auch der Bausektor. Laut offiziellen Statistiken arbeiten 10,9 % aller Beschäftigten des Kantons in dieser Branche, das sind fast 3 % mehr als im Landesdurchschnitt. Dabei handelt es sich jedoch eher um konservative Schätzungen und wir gehen davon aus, dass über 20 % aller Arbeitsplätze in Bereichen angesiedelt sind, die direkt oder indirekt mit der Baubranche und der Energieeffizienz zusammenhängen. Der Boom im Bereich der biobasierten Materialien hat uns im Übrigen veranlasst, den Bausektor in die wirtschaftsstrategisch wichtige Biowirtschaft einzubeziehen.

Der Sektor befindet sich aber auch in einem tiefgreifenden Wandel…

Die Herausforderungen durch den Klimawandel und die Verknappung der Ressourcen zwingen die Branche in der Tat dazu, sich neu zu erfinden und der Nachhaltigkeit zentrale Bedeutung beizumessen. Im Rahmen des Schweizer Vorsitzes der EUSALP (Makroregionale Strategie der Europäischen Union für den Alpenraum) hat Freiburg übrigens erfolgreich eine grosse internationale Konferenz über Kreislaufwirtschaft ausgerichtet und dabei gezeigt, wie wichtig es ist, innovativ mit diesem Thema umzugehen. Der Kanton Freiburg geht mit guten Beispiel voran, sei es bei der flächendeckenden Verwendung von Holz, der Reduzierung der Umweltauswirkungen von Beton, dem erstmaligen Einsatz von kohlenstofffreiem Stahl oder Pilotprojekten im Bereich der Wiederverwendung. Ganz zu schweigen von unserem starkem Engagement in der Industrie 4.0 und der Entwicklung von digitalen Tools, insbesondere im Zusammenhang mit der BIM-Modellierung und der Energieeffizienz von Gebäuden.

Müssen wir auch über die Entwicklungen der gebauten Umwelt nachdenken?

Mehr denn je! Die zukunftsweisende Neugestaltung des Campus der Richemont-Gruppe ist ein konkretes Beispiel dafür, wie sich grosse Konzerne an die neue Realität der Berufswelt anpassen. Die demografischen, sozialen und ökologischen Herausforderungen werden unseren Lebensraum in den kommenden Jahrzehnten ebenfalls tiefgreifend verändern, wobei mit Initiativen auf der Ebene der Gebäude, der Quartiere oder der ganzen Stadt zu rechnen ist. Dank grosszügiger Investitionen können die Expertinnen und Experten des Smart Living Lab, ein Kompetenzzentrum für die Zukunft der gebauten Umwelt, eine Reihe von fachübergreifenden Forschungsarbeiten zu Planungsprozessen, Bautechnologien, Energiesystemen und dem Wohlbefinden der Nutzerinnen und Nutzer durchführen. Im Bausektor ist Innovation allgegenwärtig.

Ist es sogar so, dass das gesamte Innovationsquartier bluefactory – in dem sich das Smart Living Lab befindet – ein Vorbild in Sachen Städtebau und nachhaltige Entwicklung ist?

Das zu gleichen Teilen dem Kanton und der Stadt gehörende Innovationsquartier bluefactory ist entschieden zukunftsorientiert und geht in Sachen Energie- und Ressourceneffizienz mit gutem Beispiel voran. Der Standort verfügt über eine ausgezeichnete CO2-Bilanz und spielt dank seinem Status als „Sponge City“ in der Schweiz eine Vorreiterrolle, was die Wasserbewirtschaftung betrifft. Die aktuelle Entwicklungsphase umfasst den Bau zweier Gebäude aus Holz: das Gebäude B und das Gebäude des Smart Living Labs, die beide nach strengen Nachhaltigkeitsprinzipien gebaut werden. Im Gebäude B können bereits Ende 2023 innovative Unternehmen einziehen, aktuell beherbergt das Innovationsquartier rund 60 Firmen.

Was ist mit dem Wissenstransfer?

In der Tat liegen mir die Aktivitäten im Bereich des Technologietransfers sehr am Herzen (siehe FNF 2021) und ich würde sie gerne weiter intensivieren. Das Smart Living Lab, das Building Innovation Cluster (BIC) – das die Branchenakteure vereint und eine wichtige Rolle für die Dynamisierung des Sektors spielt – sowie eine Konstellation aus leistungsfähigen Unternehmen unterschiedlicher Grösse tragen zur Schaffung eines günstigen Umfelds bei, in dem sich Partnerschaften entwickeln und innovative Projekte entstehen können. Die Rahmenbedingungen sind hervorragend, die Kompetenzen und der Wille vorhanden… wir müssen sie nur nutzen, um unsere Zukunft zu bauen!