«Heute für morgen bauen»
Lutz Architectes | 06.09.2023

Das Geschäftsleitungsmitglied Fabrice Macherel in den Räumlichkeiten von Green Offices, Sitz des Unternehmens und Vorbild für ökologisches Bauen.

Bereits Anfang der 1970er-Jahre setzte sich Conrad Lutz für energieeffizientes Bauen ein. Damals galt der Freiburger Architekt als Träumer, ja sogar als Fantast. Die Ölkrise von 1973 gab ihm allerdings rasch recht. Es sollte allerdings noch bis zum Ende der 1990er-Jahre und dem Minergie-Zertifikat – ein Schweizer Baustandard für Energieeffizienz – dauern, bis die Problematik ernst genommen wird. Der Gründer von Lutz Architectes wurde zwar 2017 pensioniert, aber seine Nachfolgerinnen und Nachfolger lassen den Pioniergeist und die Innovationsfähigkeit weiterleben, die den Ruf dieses aussergewöhnlichen und in der ganzen Westschweiz tätigen Architekturbüros ausmachen. Interview mit Fabrice Macherel, Architekt, Experte für ökologisches Bauen und Mitglied der Geschäftsleitung von Lutz Architectes.

Green Offices ist der Sitz von Lutz Architectes, wo wir uns gerade befinden. Auch 16 Jahre nach seiner Einweihung ist das Gebäude immer noch ein Musterbeispiel für ökologisches Bauen. Weshalb?

Unser Bürogebäude, das auch andere Firmen beherbergt, ist Minergie-P-Eco zertifiziert und zeichnet sich durch seine geringe Umweltbelastung aus. Es verbraucht fast 90 % weniger Energie als ein Standard-Bürogebäude aus dem gleichen Baujahr. Insbesondere wurden ökologische Materialien mit wenig grauer Energie verwendet, Trockentoiletten eingebaut und das Regenwasser wird aufbereitet. Als Gewinner des Watt d’Or 2008 und des Prix Lignum 2009 ist das Bürogebäude Green Offices nach wie vor eine schöne Visitenkarte für unser Architekturbüro.

Mit dem Prix Lignum werden innovative Holzbauten ausgezeichnet. Holz ist für Sie eine logische Wahl…  

Natürlich müssen die richtigen Materialien am richtigen Ort verwendet werden! Für Fundamente oder ein Tunnel ist Beton die richtige Wahl. Sobald man jedoch oberirdisch baut, kann Holz die CO2-Emissionen erheblich reduzieren. Zudem kann es  recycelt werden, wenn das Bauwerk das Ende seines Lebenszyklus erreicht hat. Wir müssen der grauen Energie von Baumaterialien mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Wälder in der Schweiz werden immer noch zu wenig genutzt: Es braucht nur etwas mehr als eine Minute und die Energie der Sonne, um das für den Bau eines Einfamilienhauses notwendige Holz zu produzieren.

Ist energieeffizientes Bauen aktueller denn je?

Die Klima- und die Energiekrise haben dazu geführt, dass in den Medien viel über dieses Thema berichtet wird. Das sollte Ansporn für uns sein, den Weg der Nachhaltigkeit kompromisslos zu gehen, zumal das Bauwesen fast die Hälfte der in der Schweiz verbrauchten Energie verschlingt. Angesichts der ehrgeizigen Ziele, die sich die Schweiz gesetzt hat, wird sich der gesetzliche Rahmen verschärfen. Das soll uns nicht davon abhalten, sowohl aus finanziellen als auch aus ökologischen Gründen in die Energieeffizienz zu investieren. Selbst das Wasser, das in der Schweiz lange Zeit als unerschöpflich galt, könnte sich künftig stark verteuern, wie zuvor bereits Heizöl oder Strom. Heute ist es möglich, Passivhäuser zu bauen, die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen.

Was ist mit der Renovierung existierender Gebäude?

Sie ist äusserst wichtig! Nachhaltiges Bauen ist eine Sache, aber die Renovierung bestehender Gebäude eine ganz andere. Das Forschungsprojekt Coccum ist ein Beispiel unserer Zusammenarbeit in der Schweiz und in Europa und wurde von unserem Büro in Partnerschaft mit dem Building Innovation Cluster (BIC), der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg und weiteren Partnern aus dem privaten und dem öffentlichen Sektor lanciert. Das Ziel ist es, eine reproduzierbare und standardisierte Sanierungstechnik zu entwickeln, um die Effizienz der Gebäudehülle und ihrer Luftdichtheit zu verbessern und das Gebäude zugleich architektonisch aufzuwerten. Das Projekt hat bislang zur ersten Minergie-P-Sanierung eines Miethauses aus den 1950er-Jahren in der Westschweiz geführt.

Wie sehen Sie die Zukunft?

Die grösste Herausforderung wird sein, einen optimalen Wohnraum für unsere rasch wachsende Bevölkerung bereitzustellen. Wir haben es bereits geschafft, einen ursprünglich für einen Haushalt gedachten Raum in einen Wohnraum für zwei oder drei Familien umzuwandeln, ohne dass die Lebensqualität und der Komfort darunter leiden würden. Wir müssen auch über die Flexibilität und die Modularität von Häusern und Wohnungen im Laufe der Zeit nachdenken. Generell geht es nicht nur darum, den Gedanken der Kreislaufwirtschaft wieder aufzugreifen, der ein bisschen verloren gegangen ist, sondern auch das Zusammenleben im urbanen Raum zu ermöglichen, der in Bezug auf Wohnraum, Mobilität und Infrastrukturen besser durchdacht ist. Unsere Devise bringt es auf den Punkt: Heute für morgen bauen!

DIE ENERGIEEFFIZIENZ IM FOKUS

Das Freiburger Startup Yord hat eine Lösung entwickelt, um unseren Wärmeverbrauch dank künstlicher Intelligenz zu optimieren. Eine an den Heizkessel angeschlossene Box misst mit einer Reihe von Sensoren die Helligkeit, die Feuchtigkeit, die Temperatur sowie den CO2-Gehalt und ermöglicht auf diese Weise eine Energieeinsparung von bis zu 40 %. Aber das ist noch nicht alles: Die Lösung ist mit sämtlichen Heizsystemen jeden Alters und Typs kompatibel und bedingt keine Aufrüstung der Anlagen.

Die mehrfach ausgezeichnete Lösung Building Intelligence von Ecco2 verfolgt in Sachen Energieeffizienz das gleiche Ziel. Das auf seinem Gebiet schweizweit führende Freiburger Unternehmen hat eine Technologie der KI-gestützten Heizungssteuerung entwickelt, die in grossen Gebäudeparks eingesetzt werden kann und in weniger als zwei Jahren zertifizierte Ergebnisse liefert. Ob Portfoliomanager, Liegenschaftsverwalter, Heizungsmonteur oder Hausmeister, Ecco2 bietet eine ganze Reihe von Tools für jedes Benutzerprofil – von massgeschneiderten Dashboards bis zu mobilen Anwendungen.

Energieeffizienz ist aber auch ein öffentliches Anliegen. Das im Jahr 2022 gegründete Kompetenzzentrum für Gebäudesanierung (KGS) ist auf dem besten Weg, die zentrale Anlaufstelle für alle zu werden, die an Sanierungsprojekten interessiert oder davon betroffen sind. Zu seinen vielfältigen Aufgaben gehört es, zwischen den Fachleuten zu vermitteln, einfache, erprobte und zweckmässige Lösungen vorzuschlagen und neuartige Realisierungskonzepte und Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen.